Was kostet ein Quilt?

 

Es gibt eine einfache Antwort auf diese Frage: Sie lautet, „…ist eigentlich unbezahlbar, und zwar nicht nur, weil er mit viel Liebe gemacht wurde….“.
Wer etwas tiefer einsteigen möchte, für den hole ich dann mal etwas aus….

 

Patchwork ist in tolles Hobby

Quilten ist ein erfüllendes, allerdings nicht ganz billiges Hobby. Ein in der Szene weitbekanntes Bonmot konstatiert, dass Quilten zunächst mal ein Hobby ist für Frauen aus der Mittelschicht, die es sich leisten können, teuren Stoff, einen großen, teuren und hochspezialisierten (Näh- und Longarm-Quilt-) Maschinenpark und ständig neue Spielereien zu kaufen. Von Workshops, Besuchen der internationalen Ausstellungen wie z.B. in Birmingham, Prag, oder gar in den USA oder auch Quiltreisen mal ganz zu schweigen. Und obwohl es auch eine Vielzahl von Möglichkeiten gibt, mit wenig Geld schöne Quilts herzustellen, kann es durchaus ins Geld gehen, in der Szene dazugehören zu wollen.
Aber es gibt viele Hobbies, die Geld kosten, warum schreibe ich hier darüber?
Weil alle Quilterinnen die Fragen kennen: Von „Ui, schöner Quilt, machst du mir auch einen?“ – bis „Waaaaaas soll der kosten????“ Und weil Quilts auch in Deutschland immer populärer werden, brauchen wir da ein bisschen Aufklärung hinsichtlich des Preis-Leistungs-Verhältnisses….

 

Was braucht man/frau für einen Quilt?

Die Kosten für das verbrauchte Material für einen Quilt, also Stoff, Garn, Füllung sind eigentlich transparent und leicht nachvollziehbar. Und trotzdem erntet man ungläubiges Staunen, wenn man Nicht-Quiltern die Aufzählung zeigt.

Als Beispiel nehme ich mal den Quilt, den ich in den Corona-Jahren 2020-2022 immer in der Weihnachtszeit genäht habe, ich nenne ihn „24-Stars-of-Hope-under-the-Moon“. Ich habe mich dabei auf die Anleitungen zum Sternen-Adventkalender der Patchwork-Gilde Deutschland, in der Regel traditionelle Sternen-Muster unterschiedlicher Art, konzentriert, die ich aber durchaus eigenwillig verändert und modifiziert habe. Da ich daran nun drei Jahre gearbeitet habe, kenne die Designs der Sterne inzwischen in- und auswendig, ebenso wie die Quiltmuster, die ich verwendet habe. Im ersten Jahr habe ich die Sterne genäht, im zweiten Jahr den dunkelblauen Hintergrund-Himmel ergänzt, und im dritten Jahr habe ich gequiltet und das Binding gearbeitet. Insofern gibt es keine Anleitung, der Quilt ist ein absolutes Einzelstück.

 

Sterne

 

Im ersten Jahr (Nov./Dez.2020) habe ich die Sterne gefertigt

 


Im zweiten Jahr (Dez. 2021) habe ich den dunkelblauen Hintergrund ergänzt.

 

 

Im dritten Jahr (Nov./Dez. 2022) habe ich das Top gequiltet und den Quilt fertiggestellt.

 

Der „24-Stars-of-Hope-under-the-Moon“ Quilt ist ein mittelaufwändiger Quilt, würde ich sagen. Ganz klar mehr als nur Quadrate aneinander zu nähen, aber weniger als ganz kleinteiliges Patchwork mit Handapplikationen. Groß ist er allerdings schon mit seinen 2×2,20 Metern. Er ist bis auf den dunkelblauen Hintergrund- und Rückseitenstoff komplett aus Resten genäht. Sofern man sich nicht aus der vorhandenen Restekiste bedienen kann, beträgt der reine Materialpreis mehr als € 300.

 

Material für den „24-Stars-of-Hope-under-the-Moon“ Beispiel-Quilt

Das braucht’s:

Schnittmuster (oder Modellvorlage, buch, o.ä.) (in meinem Fall kostenlos aus dem Fundus der Patchwork Gilde)

€ 15

Ca. 30 Fat Quarter (das sind 45x55cm große Stoffstücke, à € 4-5 in verschiedenen Regenbogenfarben (in meinem Fall kostenlos, da aus dem Reststück-Fundus)

€ 120-150

2,5m Hintergrundstoff (à € 16)

€ 40

2,5m für die Rückseite (à € 16)

€ 40

2x2,25m Baumwoll-Füllung

€ 45

Nähgarn zum Aneinandernähen und zum Steppen (= Quilten)

€ 12

 

 

Eine Nähmaschine, Strom, Licht, Schere, Rollschneider, Hand- und mehrere Maschinennähnadeln, Bügeleisen, Schnick, Schnack und Schnuck lasse ich in der Aufzählung mal beiseite. Einen Rollschneider gibt es schon für rund $15. Klingen dazu ($3,50) halten ein paar Tage bis Wochen, je nach Geduld und Geiz. Eine reguläre Haushalts-Nähmaschinen wird zunächst als vorhanden vorausgesetzt, allerdings kann man mit den wirklich kleinen Maschinen keinen großen Quilt quilten. Nach oben ist viel Luft, es gibt Nähmaschinen für €9.000 (ja, Tausend!) - und eine echte Longarm-Quiltmaschine kann lässig das Doppelte kosten.

Du hast mitgerechnet und fragst Dich, warum man für die Vorderseite so viel mehr Stoff braucht als für die Rückseite? Wow, ich bin beeindruckt. Und erkläre es Dir: die Rückseite hat meist nur eine einzige Naht, weil zwei große Stücke Stoff zusammengenäht werden und fertig. Die Vorderseite besteht aus vielen kleinen Einzelstücken. Jedes dieser Stücke hat rundherum 0,7cm Nahtzugabe, die dann in der Naht verschwindet. Das summiert sich. Außerdem muss man mit ein bisschen Verschnitt rechnen.

 

Zwischenstand der Quiltkosten

Aufaddiert sind das über 300 € (genau sind es € 302, falls Du wieder schnell mitgerechnet hast). ABER: Deine Rechenkünste haben mir ja schon gezeigt, dass Du ein Fuchs bist, und jetzt sagst Du, dass ja alle QuilterInnen, die Du kennst, einen riesigen Stoffvorrat haben, aus dem sie sich bedienen können. Erstens: Herzlichen Glückwunsch, Du suchst Dir die richtigen FreundInnen aus, man kann gar nicht genug QuilterInnen kennen. Zweitens: Dieser riesige Stoffvorrat schrumpft, wenn man sich ständig daraus bedient – und muss dann…? Genau, wieder aufgefüllt werden. Und das kostet dann das gleiche Geld.

 

Aber Erinnerungsquilts sind ja recycled!

Genau, bei Erinnerungsquilts (Quilts, die aus Stoffen oder Kleidungsstücken bestehen, die an einen geliebten Menschen erinnern sollen und meist von ihm oder ihr noch zu Lebzeiten getragen wurden) braucht man erstmal nicht so viel teuren Stoff, das stimmt. Außer für die Rückseite, das Binding und oftmals für den Hintergrund der Vorderseite (siehe oben). Auch die Kosten für Füllung, Nähgarn und eventuell ein Schnittmuster bleiben. Dazu kommen Stabilisierer und andere Hilfsmittel, mit denen man sehr dünne oder gestrickte Stoffe eben hinterlegt, damit sie sich nicht verziehen oder später beim Waschen ausbeulen. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass hier der Zeitaufwand höher ist: Es dauert länger, einen Pullover auseinanderzunehmen als einfache Meterware zu schneiden. Oder einen Hemdkragen so zu präparieren, dass er sich von der Dicke her harmonisch in einen Quilt einfügt. Oder aus einem Stück Bettzeug einzelne Patches – also Teilstücke – so zu heraus zu trennen, dass z,B. Monogramme o.ä. sich harmonisch zu einem Ganzen summieren. Und das Aufbügeln des Stabilisators dauert auch seine Zeit…

 

Zeit – Wie lange näht man denn an so einem Quilt?

Ja, der Faktor Zeit, die in einen Quilt hineingesteckt wird, ist ein ganz anderes Ding – von der Liebe reden wir hier ausdrücklich nicht. Dieses Thema führt regelmäßig oft zu Unstimmigkeiten, wenn ein/e Nicht-HandarbeiterIn unschuldig, naiv oder unüberlegt fragt, ob man ihr/ihm nicht auch mal schnell ein Paar Socken, eine Tasche, ein Bild, ein Möbelstück, oder eben einen Quilt machen könnte – das Phänomen gibt es in jeder ‚Handwerks‘-Richtung. Während es bei den Materialkosten ja wenig Diskussionsspielraum gibt, kommen bei der Zeit noch andere Aspekte dazu, und zwar die folgenden:

 

Arbeitsschritte zum fertigen Quilt

Hier hast Du erstmal eine Übersicht über die einzelnen Arbeitsschritte. Einige Positionen davon sind einigermaßen vergleichbar, wenn Quilts sagen wir mal normale „Deckengröße“ haben (also weder ein Baby- noch ein kleiner Wandquilt sind), andere Arbeitsschritte sind jedoch im Zeitverbrauch extrem unterschiedlich.

Design überlegen oder Schnittmuster finden, Farbkonzept machen, Stoff kaufen, aussuchen, zusammenstellen

2-3 Std


Manchmal sehe ich ein Schnittmuster, kaufe und nähe es. Designarbeit 5 Minuten. Aber manchmal sitzen Stoffe (oder die Kleidungsstücke) eines Menschen wochenlang in meinem Nähzimmer, während ich darauf warte, dass sie zu mir sprechen und mir sagen, was ich aus ihnen wie nähen soll. Oder ich überlege das zu einer Mustervorlage oder einem Schnittmuster passende Farbkonzept und stelle fest, dass ich von dem wichtigsten Stoff nicht genügend vorrätig bzw. von dem/der Kundin erhalten habe, und dann heißt es von vorne beginnen und Farben und Stoffe erneut sortieren und zusammenstellen und ggf. zu ergänzen.

 

Stoff zuschneiden

 

3-4,5 Std


Das Zuschneiden kann extrem schnell gehen, wenn man mit großen Quadraten oder vorgeschnittenen Stoffen arbeitet (die es z.B. als Streifen oder Quadrate in unterschiedlichen Größen gibt). Wenn man zum Beispiel bei Streifen oder Karos nicht alles krumm und schief haben möchte, oder hübsche Ausschnitte aus einem Musterstoff auswählen möchte … dann dauert es länger. Oder endlos lang. Bei vielen meiner Quilts habe ich mit kleinen Stoffresten gearbeitet, also jedes Teil einzeln ausgeschnipselt. Das hat viele Stunden und manchmal Nächte gedauert. Oder wie schon erwähnt bei den Memory-Quilts: Da müssen in der Regel erstmal Kleidungsstücke auseinandergenommen werden, und zwar so, dass man möglichst gut verwertbare Stücke bekommt. Manchmal möchte man eine Knopfleiste oder einen Kragen erhalten, das geht dann weit über das normale „Mit-dem-Rollschneider-durch-den-Stoff-Jagen“ hinaus. Ich habe ja oben schon geschrieben, dass außerdem oft noch die Aufbereitung der Stoffe hinzukommt: auf alle Strickstoffe wie zum Beispiel T-Shirts muss ein Stabilisator aufgebügelt werden. Daher kann für diesen Arbeitsschritt also nur ein gemittelter Wert angesetzt werden.

 


Fleißarbeit: Viele kleine Teile wollen ein Ganzes werden

 

Vorderseite nähen (inklusive bügeln)

50 Std


Das ist wohl der Bereich mit den größten Unterschieden. Einen kleinen Babyquilt mit relativ großen Quadraten kann man in einer Stunde zusammennähen. Dann gibt es aber kompliziertere Muster, bei denen man manchmal einzelne Abschnitte dreimal nähen muss, bis es halbwegs zusammenpasst. Die reine Nähzeit für meinen „24-Stars-of-Hope-under the Moon“ (der ausschließlich aus Baumwollstoffen besteht) schätze ich auf etwa 50 Stunden (etwa 2 Stunden pro Stern, und manchmal auch mehr).
Für einen Memoryquilt mit „schwierigeren“ Stoffen und in der Freien Schneidetechnik zu nähen (wenn man also keinem Schnittmuster folgt, sondern ‚einfach’ frei improvisiert und sich von den Stoffen und Formen der Kleidungsstücke leiten lässt), kann man den Zeitaufwand irgendwo zwischen 10 und 50 Stunden ansetzen.

Rückseite nähen

6 Std


In der Regel zwei lange Stoffbahnen zuschneiden und aneinandernähen, ganz simpel, in einer guten Stunde ist frau fertig. Man kann das aber auch schöner machen, zum Beispiel aus übrig gebliebenem Stoff von der Vorderseite eine individuelle Rückseite gestalten. Aber das kostet dann ungleich mehr Zeit. Ich habe z.B. hinten ein großes Patch mit Namen des Quilts, Datum der Anfertigung und meinem Namen als Quilterin ausgestickt und einen weiteren großen Stern in die Rückseite eingesetzt, das war ziemlich aufwendig und hat sicherlich nochmal 6 Stunden in Anspruch genommen.

 

 

 

Basten

2 Std

So nennt man es, wenn man ein „Sandwich“ aus Vorderseite, Füllung und Rückseite macht, indem man sie mit unzähligen Sicherheitsnadeln, einem Reihfaden oder Sprühkleber vorläufig miteinander verbindet, um sie dann steppen (= quilten) zu können. Wer eine Longarm besitzt, muss mindestens eben so viel Zeit aufwenden, um die drei Lagen (Vorderseite, Füllung/Vlies, Rückseite) sauber und ordentlich, flach und gerade und faltenfrei auf den verschiedenen Rollen zu fixieren und vorzubereiten.

 

Quilten

8-24 Std


Das Absteppen macht den Quilt ja erst zum Quilt. In Amerika ist das ‚Quilting by Check‘ sehr verbreitet: Man gibt ein Quilttop und die Rückseite zu einer professionellen Longarmerin, die eine riesig große Quiltmaschine (bis zu vier Meter breit) besitzt und damit den Quilt fertigstellt. Das spart natürlich Zeit, kostet aber auch: Je nachdem, ob der/die LongarmerIn ‚einfach‘ ein Allover-Muster, oft computerunterstützt, oder ein speziell für das Patchworkmuster entworfenes Design quiltet, liegen die Kosten pro Quadratmeter je nach Aufwand in der Regel zwischen 120-160€uro. Bei einer 2x2m Bettdecke also locker das Vierfache. Man kann sich hier also Zeit kaufen. Oder selbst quilten. Auch da hängt es natürlich davon ab, wie dicht und detailliert man arbeitet: Schnelle gerade Linien alle x Zentimeter quer über den ganzen Quilt, oder liebevolles Ausfüllen der Muster und Freiräume. Ich habe pro Sternenreihe unterschiedliche Muster gequiltet und jeden Stern mit Lineal und FMQ (Free-Motion-Quilting) individuell gestaltet und daher etwa 18-20 Stunden gebraucht.

 


Teilausschnitt mit FMQ (Free-Motion-Quilting)

Binding

6 Std


Ein Binding (also den Einfassstreifen) herstellen bedeutet einen gut acht Meter langen, etwa 5cm breiten Stoffstreifen zu schneiden und zusammenzunähen, zu bügeln, rundherum an den fertigen Quilt zu nähen, und dann auf der Rückseite mit Zehntrilliarden winzigen Stichen per Hand festzunähen.

Alle diese Zeiten setzen übrigens voraus, dass man konzentriert arbeitet und weiß, was man tut. Das bedeutet: jemand hat Erfahrung gesammelt, Bücher gelesen, YouTube-Videos angeschaut und in Kurse investiert. Und ich habe mal bewusst das aufwendige Handquilten, Besticken, Applizieren…. weggelassen. Das sind Stunden jenseits von Gut und Böse. 

Also, was haben wir? 88 Stunden. Grob und sehr konservativ geschätzt, bei idealen Arbeitsbedingungen (also nicht: Stoffe und Utensilien rausholen, Nähmaschine aufbauen, wieder wegräumen, zwischendurch Abendessen kochen, Pflaster auf Knie kleben…..)
Lassen wir das mal so stehen.

Wenn uns jemand fragt: „Machst Du mir auch so einen Quilt?“, könnte Deine Antwort lauten: Oh ja, sehr gerne! Warum machen wir nicht einen Deal? Du bist doch Hobby-HandwerkerIn, das macht dir so viel Spaß, oder? Kauf doch für rund € 300 Farbe und Tapete, komm mit deinem Arbeitsmaterial und bring mein Wohn- und Arbeitszimmer mit einem frischen neuen und farbenfrohen Look so richtig auf Vordermann. Plan ruhig mal 80 Stunden ein, mindestens. Einverstanden?

 

Quilten als Job

Bis jetzt sind wir davon ausgegangen, dass wir es mit einem/r HobbyquilterIn zu tun haben. So weit, so realistisch. Und hier spielen die genauen Zahlen kaum eine Rolle, denn der Weg ist ja das Ziel. Wer macht schon einen Quilt, weil er/sie sonst friert? Was aber wäre, wenn man ein Geschäft daraus machen möchte? Um ganz offen zu sein, es gibt meines Wissens nach niemanden, der/die ausschließlich vom Verkauf seiner/ihrer Quilts lebt. 

Eine der gängigen Formeln, um den (idealen) Verkaufspreis für einen Quilt zu ermitteln, ist diese:

(Materialkosten + Zeit x Stundenlohn) x 2 = Wiederverkaufspreis

Wiederverkaufspreis x 1,5 (evtl. auch x 2) = Endverbraucherpreis

Also lass uns spielen:
Die Handwerkerstundenlöhne in Deutschland liegen bei 40-60 Euro, der Mindeststundenlohn zur Zeit bei 12 Euro. Ich rechne hier mit dem Mindestlohn, das Einsetzen von 40€ Handwerkerstundenlohn erübrigt sich, wie wir gleich sehen werden….

(300€ + 88h x 12€) x 2 = (300€ + 1056€) x 2 = 1356€ x 2 = 2.712 Euro für den Wiederverkauf

Sollen wir das jetzt noch mal 1,5 nehmen, um den endgültigen Verkaufspreis für EndverbraucherInnen zu ermitteln? Das wären dann knapp 4071€ Endverkaufspreis, wobei der/die Quilter/in nur den Mindestlohn erhält und bei einer 35-Stunden Woche knapp drei Wochen kontinuierlich an dem Stück gearbeitet hat. Jede/r Kunsthandwerker/in, etwa ein/e Harfenbauer/in oder Geigenhersteller/in, ein/e Restaurator/in oder ein/e Textildesigner/in würde für diesen Mindestlohn erst gar nicht mit der Arbeit beginnen, geschweige denn sie beenden wollen.

In die Kosten haben wir auch entsprechend einiges nicht eingerechnet, was für die HobbyquilterInnen nicht wichtig ist, sehr wohl aber für die/denjenigen, die oder der davon leben will. Eine kleine, unvollständige Auswahl: Miete, Krankenversicherung, Rentenversicherung, noch mehr Versicherungen, Steuerberater, Heizung, Strom, Verpackung und Versand, Zeit für Kundengespräche, Werbung, Abwicklung, Rechnung schreiben, Buchhaltung…

 

Der Patchwork-Markt 

Etsy ist voll mit fertigen Quilts, die man kaufen kann!? Schon, allerdings sind die Preise in den meisten Fällen so niedrig, dass der Stundenlohn für die QuilterIn noch nicht mal als Taschengeld anerkannt würde, geschweige denn den oben angesetzten Mindestlohn erreicht. Die Vermutung liegt nahe, dass viele Hobby-QuilterInnen einfach nur „ausmisten“ wollen um dabei vielleicht die Materialkosten wieder reinzubekommen, um neuen Stoff kaufen zu können. Das ist aus ihrer Sicht auch keineswegs verwerflich, sondern völlig verständlich.

Dennoch: Das ist so, als würde ein Hobby-Handwerker aus Spaß und für umsonst bzw. nur für die Materialkosten Dein Wohnzimmer streichen. Cool, oder? Hinkt der Vergleich, weil man ja Handwerker braucht, während Quilts nicht notwendige Luxusartikel sind? Ja, aber Du könntest ja auch selbst tapezieren, und muss das Arbeitszimmer wirklich schon wieder gestrichen werden, nur weil Dir die alte Farbe nicht mehr gefällt?

Was ist das Problem? Das eigentliche Problem besteht darin, dass es äußerst schwierig ist, von einer Arbeit leben zu können, wenn gleichzeitig jemand, der seine Arbeitszeit verschenkt, denjenigen die Preise ruiniert, die von Einkommen, das sie generieren wollen, abhängig sind und davon leben wollen/müssen.

 

Der kleine Unterschied, Teil I

Aber es steckt noch mehr dahinter. Es gibt sicher viele Männer, die sehr gerne basteln und schrauben. Wie oft werden sie gefragt, ob sie nicht rüberkommen wollen, um das Arbeitszimmer zu streichen, wo sie das so gut können und offensichtlich ganz gerne machen? Und wie viele Männer würden auf diese Frage antworten: „Ja, klar, wann soll es denn fertig sein?“?

Wie oft hast Du gesehen, dass eine Frau ihre Zeit oder ein Produkt zu günstig weggegeben hat? Oder anders: Wie oft bist Du schon auf einem Kunsthandwerkermarkt weitergegangen, weil der Preis, den Dir die Frau in der Verkaufsbude genannt hat, aus Deiner Sicht viel zu hoch war? Das bedeutet: Frauen schätzen ihre und die Arbeit anderer Frauen nicht ausreichend wert, geschweige denn, dass es Männer täten. Wir verdrehen die Augen, wenn wir denken, dass die gestrickten Socken und handgemachten Ohrringe abgedreht teuer sind, statt nachzurechnen, wieviel Material und Arbeitszeit für sie gebraucht wurden. Und wir unterstützen andere Macherinnen oft nicht, indem wir einen angemessenen Preis bezahlen, sondern denken uns, dass wir das ja auch zuhause selbst machen können. Natürlich kannst Du es selbst billiger machen, weil Du Dir selbst Deine Arbeitszeit ja nicht bezahlst. Hast Du schon mal ein Schnittmuster oder eine Vorlage irgendwo kopiert, statt Dir das gleiche Schnittmuster bei der Designerin zu kaufen? Das ist das gleiche Problem.

Warum bezahlen wir einem Maler 40 – 60 Euro pro Stunde, finden aber eine Quilterin, die nach einem Stundenlohn von 12 Euro fragt, unverschämt? Weil es ihr Spaß macht? Was, wenn der Maler auch Spaß an seinem Beruf hat? Oder auch nur an bestimmten Teilen seines Jobs, z.B. an den Kundengesprächen oder am Farben-heraussuchen? Bezahlen wir ihn dann dafür nicht? Oder anders: Wirst Du an Tagen, an denen Dir Dein Job so gar keinen Spaß macht, etwa besser bezahlt als an den Tagen, an denen du Spaß an der Arbeit hast?

 

Kunst-oder-Hand-oder-Werk?

Es gibt eine winzige Ausnahme in diesem Vom-Verkauf-von-Quilts-kann-man-nicht-leben-Phänomen: Das sind die, die es in den Künstler-Olymp geschafft haben. Seit der legendären Ausstellung 1971 im Whitney-Museum in New York wird Quilts der Status ‚Kunst‘ offiziell zuerkannt. Zumindest theoretisch. Denn immer noch finden sich Quilts eher in der Schublade ‚Kunsthandwerk‘ oder – noch verächtlicher – ‚Handarbeit‘. 

Den bildenden KünstlerInnen (MalerInnen, BildhauerInnen usw.) werden hohe Preise für ihre Werke zugestanden, die für die öffentliche Betrachtung gedacht sind, ausgestellt und verkauft werden. Wenn Quilts hingegen nur als Kunsthandwerk bewertet werden, fallen auch die Preise in eine völlig andere Größenordnung. Und, ach ja, Handarbeit… Handarbeit wird quasi überhaupt nicht mehr bezahlt. Ein Produkt, egal ob auf Etsy oder auf welcher Plattform auch immer, dass das Label „handmade“ trägt, ist von vorherein als „Ladenhüter“ zu deklarieren.

Welche Konsequenz müssen wir daraus ziehen: Anzuerkennen, dass der kreative Prozess Teil der Arbeit/des Werkes ist, ist von zentraler Bedeutung und sollte in Rechnung gestellt werden. Das ist der Grund, warum man Bilder in Galerien sieht, die für Tausende von Dollars verkauft werden. Jede Stunde, die auf dem Weg zum fertigen Bild in den Entstehungsprozess mit eingeflossen ist, zählt in der Rechnung als abzurechende Stunde. Rechtsanwälte machen es so, und wir als Kunsthandwerker sollten lernen, es auch so zu handhaben.

 

Der kleine Unterschied, Teil II

Interessanterweise sind unter den Künstler-Quiltern weit überproportional viele Männer. Laut der von The Quilting Company und Quilts, Inc. 2017 in Auftrag gegebenen “Quilting in America” Studie ist nur ein Prozent der 7-10 Millionen QuilterInnen männlich. Gefühlt (!) sind die alle bekannt und verdienen gut. Männer scheinen generell weniger Schwierigkeiten zu haben, Dinge, die sie tun, zu monetarisieren.

Das geht einher mit der alten Frage: Passen Maskulinität und Handarbeiten mit Stoff zusammen? Erntet ein strickender Mann immer noch neugierige Blicke? Ein Mann in einem Stoffladen – der sucht doch wohl sicher seine Frau, oder?

Du findest, ich weiche vom Thema ab? Ich finde, die Frage nach dem Wert eines Quilts ist eng mit Geschlechtsrollen-Klischees und dem Gender-Gap in der Bezahlung von Frauen vs. Männern verknüpft. Denn: Wenn wir unsere Arbeit selbst nicht wertschätzen – wer sollte es dann tun?

Na gut, kommen wir wieder zum Wert bzw. den Kosten von Quilts.

Für Versicherungen, die etwa Quilts auf Ausstellungen oder in Museen bewerten und versichern, wird der finanzielle Wert bestimmt durch die Qualität der Arbeit beim Nähen wie beim Quilten, durch das Material und das Design. Bei antiken Quilts kommen noch andere Faktoren hinzu (und spannenderweise ist das Alter nebensächlich für den möglichen Preis), aber grundsätzlich gilt als Maßstab bei Gutachten für Versicherungen ausschließlich der Wiederbeschaffungswert.  Das heißt: Die Versicherung muss den Betrag bezahlen, den man benötigt, möglichst vergleichbare Materialien zu kaufen und jemanden zu entlohnen, der die Fähigkeiten besitzt, einen Quilt genauso zu reproduzieren. Und dieser qualifizierte Jemand arbeitet nicht für 12€ Stundenlohn!

Wenn also wieder einmal die Frage aufkommt, was denn so ein handgefertigter Quilt wert ist, hast Du jetzt auf jeden Fall genug Hintergrundwissen, um kompetent mitreden zu können.

Und die oben angesprochene Liebe, die in so eine Umarmung aus Stoff hineingenäht wird, ist und bleibt sowieso unbezahlbar.