Eine kurze Geschichte des Quiltens, oder: Was ist Patchwork und was ist Quilt?

Heute werden Quilts oder das Quilten an sich meist mit den in amerikanischen Filmen typischen Bettabdeckungen in Verbindung gebracht; die Abgrenzung zu Patchwork ist nicht immer klar.

Patchwork ist in unserer Sprache mit „Flickwerk“ oder „Stückwerk“ zu übersetzen und beschreibt eine Technik, bei der Stoffstücke (üblicherweise handelt es sich bei Patchworkstoffen bzw. Quiltstoffen um Baumwollstoffe) so zusammengenäht werden, dass eine große Fläche mit geometrischem Muster entsteht. Diese ist die Vorderseite für einen Quilt. Malen mit Stoff könnte man die Kunst des Patchens und des Quiltens auch nennen, denn dabei werden Stoffe unterschiedlicher Farbe und Machart auseinander geschnitten und kunstvoll wieder zusammengefügt. Die Frauen früherer Zeiten konnten mit dieser Technik Stoffreste und auch kleinste Reststücke sinnvoll verarbeiten, anstatt sie wegwerfen zu müssen.


Das englische "to quilt" bedeutet soviel wie "steppen – durchnähen - wattieren", und genau so entsteht letztendlich der Quilt. Im ersten Schritt wird dabei unter der Patchworkarbeit (auch Topseite genannt) eine Zwischenlage aus wärmendem Vlies sowie ein Rückseitenstoff angepasst und fixiert. Dann beginnt das eigentliche Quilten, bei dem die Kunst und das Ziel darin bestehen, diese drei Lagen so mit kleinen Quiltstichen zusammenzunähen, dass verschiedene dreidimensionale, plastische Muster entstehen, die die drei Lagen fixieren, so dass der wärmende mittlere Teil nicht verrutschen kann. Traditionelle Amish-Quilts bestehen aus einfarbigen Stoffen und werden sehr aufwendig gequiltet. Bei mit Motiven bedruckten Patchworkstoffen werden z.B. deren Umrisse durch das Quilten hervorgehoben. Varianten mit Applikationen jedweder Art sind möglich. Die so entstanden wattierte Decke ist reißfest, strapazierfähig und wärmt außerordentlich in kalten Nächten.


Die Geschichte vom Patchworken und Quilten reicht weit zurück. Im Altertum war die Technik von Patchwork und Quilten bereits in China und Indien, in Westafrika und vom Vorderen Orient bekannt. Man verwendete sie sowohl im kultischen Bereich als auch für Gebrauchstextilien. Noch ist sich die Wissenschaft unsicher, ob deren Ursprung in China oder im Vorderen Orient liegt. Fest steht aber, dass lange vor unserer Zeitrechnung bereits gequiltet wurde. Die ältesten erhaltenen Patchwork-Quilts werden in einem Museum in Kairo ausgestellt und sind aus der Zeit von 980 v.Chr, also ca. 3000 Jahre alt, besonders die Symbolik der verwendeten Muster und Abbildungen waren in dieser Zeit von vordergründiger Bedeutung und weniger die Kunst der Herstellung.


Man geht davon aus, dass Kreuzritter diese Handarbeit im nördlichen Europa verbreiteten, die mitteleuropäischen Ritter lernen die im Orient üblichen gesteppten Unterhemden kennen, die ihnen das Tragen der Rüstungen erleichterten. Mit der Rückkehr der Ritter in ihre Heimatländer kam diese Technik dann nach Europa, die mehrlagigen Decken erfüllten dort, im kalten Norden auf den Betten unbeheizter Schlafräume, ihre wärmende Funktion, und fanden auch schon bald bei warmer Bekleidung ihre Verwendung. So fanden die Decken vor allem im England des 14. Jahrhunderts weite Verbreitung, als eine Kältewelle den nördlichen und zentralen Teil Europas heimsuchte.
Die Herstellung war damals sehr mühsam, denn man verwendete Reste der aufwendig von Hand gewebten und gefärbten ehemaligen Woll- und Kleidungsstoffe. Erst als mit den Karawanen über die Seidenstrasse auch die fein gewebten, farbenfrohen und ornamentreichen Stoffe aus dem fernen Osten das alte Europa erreichten, entstanden, besonders im südlichen Teil Europas, so u.a in Sizilien, aufwendigere, mit Stickereien verzierte Patchworkarbeiten. Im 17. und 18. Jahrhundert war das Quilten vor allem in Frankreich, England und Schweden sehr verbreitet.

Die europäischen Auswanderer nahmen seit Beginn des 17. Jahrhunderts ihre Handarbeiten mit in die Neue Welt, wo Patchwork und Quilten zu einer Volkskunst wurden, während sie in Europa mehr und mehr in Vergessenheit gerieten, weil im Zuge der maschinell und industriell gefertigten und preislich günstigen neuen Stoffe das Quilten mehr und mehr in den Hintergrund geriet. In Nordamerika gab es zunächst keine Stoffindustrie und Stoffe mussten aus Europa eingeführt werden, so waren sie sehr kostbar und entsprechend teuer. Die aus Europa wegen ihres Glaubens oder aus wirtschaftlicher Not ausgewanderten Familien, die in den ihnen zugewiesenen Gebieten jenseits der Zivilisation siedelten und Landwirtschaft betrieben, waren zudem in der Regel arm und mussten sparsam mit ihren Materialien umgehen. Sie waren sehr darauf bedacht, Stoffreste und abgetragene Kleidungsstücke nicht wegzuwerfen, sondern sinnvoll weiter zu verwerten.

So haben sich vor allem in den Vereinigten Statten die so genannten „Quilting-Bees“ als soziale Einrichtung aus diesen Pioniertagen, in denen  Jede und Jeder Jedem auch beim Quilten half, bis in die heutige Zeit erhalten. „Bee“ bedeutet aus dem Amerikanischen übersetzt „Biene“ und bezeichnet im Ausdruck „Quilting - Bees“ emsige Quilterinnen, die bei ihren Treffen gemeinsam auf große Rahmen gespannte Stoffteile quilten. Im Ergebnis entstehen bei den Quilting-Bees auch heute noch Brautdecken, Freedom-Quilts, Freundschafts-Quilts und viele andere mehr. Mit der Zeit wurden die Stoffteile immer kleiner und die Siedlerfrauen verbesserten die Kunst des Steppens, kombinierten die Farben immer aufwendiger und entwickelten wunderschöne, geometrische Muster. Die freie Zeit im Leben der Siedlerfrauen, die Zeit in den Abendstunden, wenn die Arbeit auf dem Feld ruhte oder in den dunklen Wintermonaten, wurde genutzt, um Stoffreste, die sie immer in kleinen Beuteln am Schürzenbund mit sich führten, zu Blöcken zusammenzunähen.

Das Quilten war, wie viele andere Arbeiten der Siedler, eine gemeinschaftliche Arbeit. Wenn auf den Feldern die Arbeit getan war, quilteten die Frauen in der Scheune oder vor dem Kamin im Haus. Man lud Freundinnen und Verwandte ein, die Gäste brachten etwas zu essen mit, man erzählte sich Geschichten beim Quilten und entwickelte kreativ neue Muster. So entwickelte sich das Quilten in Nordamerika zu einer individuellen Volkskunst. Ein Mädchen hatte zwölf Decken für seine Aussteuer zu quilten, ihre Freundinnen quilteten für sie den Hochzeitsquilt nach der Bekanntgabe der Verlobung, zur Geburt eines Kindes wurde ein Wiegenquilt geschenkt, einem Freund konnte man einen Albumquilt widmen und darin ganz unterschiedliche Muster einarbeiten, die etwas von der gemeinsamen Lebensgeschichte erzählten. Quilts waren durch die Jahrhunderte hinweg ein wertvolles Geschenk, das ein Stück Biografiearbeit beinhaltete.

Besonders bei den Amish, einer amerikanischen Religionsgemeinschaft, die aus christlicher Überzeugung bis heute das Leben der nicht-technisierten Vergangenheit führen, wird diese Tradition auch heute noch aufwendig gepflegt. Seit ihrer Ankunft in Amerika im frühen 18.Jahrhundert war der Lebensstil der "amish people" bescheiden und zweckmäßig, den Frauen waren Schmuck, aufwendiger Zierrat und grelle Farben nicht erlaubt. Als Selbstversorger entwickelten die Frauen der Amish eine hohe Kunst in der Herstellung von Patchworkquilts, für die sie vor allem gedeckte und matte Farben verwendeten, die von nur wenigen bunten Stoffstücken kontrastiert wurden. Zudem sahen die Quilterinnen bald, dass ihre Kunst ihnen die Möglichkeit bot, ihrem Glauben Ausdruck zu verleihen, Muster wie die "Jakobsleiter" oder der "Stern von Bethlehem" zeugen noch bis heute davon; nicht nur deshalb gehören die Amish-Quilts heute zu den Favoriten einer jeden Quilt-Galerie.

Die alte Tradition von Patchwork und Quilten erlebte auf diesem Wege eine vor allem in Nordamerika ungeahnte Renaissance, und erst in den frühen 80er Jahren kam die Technik wieder nach Europa zurück. Und obwohl in den Vereinigten Staaten der Quilt als Bettdecke heute so selbstverständlich ist wie das "Paradekissen" im Deutschland des letzten Jahrhunderts, gibt es für die Patchwork-Quilts auch vielfältige andere Verwendungsmöglichkeiten, z.B. als schmückender Wandbehang, Tischdecke oder Tischdekoration, Kuscheldecke und vieles mehr, denn nicht nur in Europa wird der Patchworkquilt heute eher als Objekt und Ergebnis einer individuellen künstlerischen Tätigkeit verstanden, und an die Stelle überlieferter Muster treten inzwischen häufig eigene Entwürfe der Quilterinnen.